Zensur erscheint entweder als ein typisches Zeichen für Diktaturen oder für längst vergangene Epochen. Aber auch in einem freiheitlichen Rechtsstaat werden die Mittel der Zensur als notwendig erachtet. Gerade am aktuellen Beispiel 'Internet' lässt sich das Kontrollbegehren von Staat und Justiz deutlich erkennen. Die zurecht verbotenen Phänomene "Kinderpornographie" und "Nazi-Propaganda" werden als Argumente für eine kaum hinterfragte Zensur instrumentalisiert, die leicht auf andere Bereiche übertragen werden könnte.
Dass es zwischen der unrechtmäßigen Unterdrückung von Medienprodukten und ihrem legalen Verbot auch in Deutschland kompliziert gestaffelte Grauzonen gibt, soll diese umfassende Untersuchung des Soziologen und Kunsthistorikers Roland Seim belegen. Im ersten Teil wird die Geschichte der Zensur ebenso berücksichtigt, wie die Frage nach der menschlichen Faszination an Sex und Gewalt; die Lust, die jeweils verbotenen Grenzen zu überschreiten, gestellt. Außerdem werden die wichtigsten Rechtsgrundlagen und Kontrollinstitutionen dargelegt. Der zweite Teil ist den verschiedenen Sparten der Populärkultur gewidmet, aus denen exemplarische Zensurfälle dokumentiert und analysiert werden.
Vom "Gutenberg-Universum" bis zum "Cyberspace" – stets waren es die jeweils neuesten Medien, von denen die Zensoren eine besondere Gefährdung für Jugend und Gesellschaft befürchteten. Eingriffe in Film, Literatur, Kunst, Musik, Comic, Internet und andere Medien werden anhand exemplarischer Fallbeispiele vorgestellt. Ein Vergleich mit den Zensurpraktiken in anderen Ländern Europas und den USA rundet die Studie ab.
Der Autor:
* 1965 in Münster; Studium der Kunstgeschichte, Philosophie und Soziologie in Münster und Berlin; Januar 1993 Magisterexamen in Kunstgeschichte bei Prof. Dr. Jürg Meyer zur Capellen (Thema: "Die Darstellung von Eros und Thanatos im Frühwerk von Alfred Kubin"); Juli 1997 Promotion zum Dr. phil. in Soziologie mit dieser Studie. Seim war Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Landesbildstelle Westfalen, Lehrbeauftragter am Institut für Soziologie der Universität Münster, und arbeitet jetzt als Autor und Verleger sowie als Online-Redakteur und Angestellter bei einer Digitaldruckerei. Außerdem ist er freiberuflicher Lektor und Ko-Kurator des Ausstellungsprojektes "Kunst trifft Kohl".
Das Buch:Die vorliegende Dissertation, des durch seine Veröffentlichungen "Ab 18" (mit Dr. Josef Spiegel) und "Comic: zensiert" (mit Achim Schnurrer) bereits als Zensurforscher bekannt gewordenen Autors, wurde von Prof. Dr. Horst Herrmann betreut und erhielt von der Universität Münster das Prädikat "magna cum laude". Wir wünschen dem Werk, das trotz seines enormen Umfangs spannend und informativ zu lesen ist, die gebührende Verbreitung. Für die Drucklegung wurde es aktualisiert und um den Abbildungsteil ergänzt.
Roland Seim: Zwischen Medienfreiheit und Zensureingriffen [...], Münster: Telos Verlag 1997 [7. Aufl. 2010]; zugl. Diss. phil., Univ. Münster 1997. 557 S., kart., Farbcover, umfangreiche Bibliographie, Personenregister, 20seitiger Abbildungsteil mit etwa 70 Beispielen und engl. Dissertation Abstract; ISBN 978-3-933060-00-6, EUR 30,60.
English Dissertation Abstract
Between Freedom of the Media and Intrusions of Censorship
An examination of media and law sociological research on the influence of censorship on the popular culture of the Federal Republic of Germany
The thesis concludes with
a comparative examination of some censorship laws in various European Countries
and the United States. This international comparison demonstrates, that the
loss of a sense of humour on matters of taste, decency and hallowed icons is
not only a German phenomenon.
(I
would like to thank Dr
Christina Lee MA/University of Nottingham for her kindly translation of
this text).